Demmin 1945 - eine Chance?

Das Gefühl ein Thema leid zu sein, wenn es dabei um Massenvergewaltigungen und Deutschlands größten Massensuizid in deiner eigenen Heimatstadt geht, ist verständlich - gerade, und auch für mich als gebürtige Demminerin.

 

"Demmin soll nicht nur damit in Verbindung gebracht werden."


"Mal ist auch Schluß. Ich kann es nicht mehr hören."


"Demmin hat noch andere Kapitel, die darauf warten, entdeckt zu werden."


"Noch ein Roman über Massensuizide in Demmin erschienen"

 

Während sich der Demminer Heimatverein, wie auch der Nordkurier basierend auf einem Artikel vom 12.01.2023 einig zu sein scheinen, so sitze ich zwischen den Stühlen.  


Kann das Thema anstelle vielleicht sogar eine Chance für Demmin sein?

 


Das Verständnis

 

Natürlich habe ich Verständnis

 

Es gibt Bücher zum Thema: Florian Hubers "Kind, versprich mir, dass du dich erschießt", Zora del Buonos "Canitz Verlangen", Verena Kesslers "Die Gepenster von Demmin", Trude Teiges “Als Großmutter im Regen tanzte” oder der neueste Roman "Luisentor" von Carolin Miltenburger. Viele kennen auch das Werk des Demminer Ehrenbürgers Karl Schlösser "Vertreibung aus dem Paradies" sowie Norbert Buskes Buch "Das Kriegsende in Demmin".

 

Da ist die multiperspektivische Theaterperformance des Analogtheaters Köln "Geister Ungesehen" welche den Kurt-Hackenberg-Preis für Politisches Theater 2020 und den Kunstsalon Theaterpreis 2021 gewonnen hat. Eine weniger bekannte Dokumentation aus dem letzten Jahr 2022 ist Tom Salts Dreistromland die man auf Vimeo findet.

 

Und dann ist da natürlich auch Martin Farkas Dokumentarfilm "Über Leben in Demmin" der zwischen 2014 und 2017 in Demmin gedreht wurde und für den Dokumentarfilmpreis des Goethe-Instituts nominiert worden war.

 

Insbesondere Letzterer rückte diesen kleinen Ort, meinen Heimatort, für eine Weile in die öffentlichen Diskussionen in Deutschland. Kinosäle in ganz Deutschland waren gefüllt und das Interesse am Film unbestritten. 

     

Wir, als Demminer haben also schon das ein oder andere über diese Zeit gehört, gesehen oder gelesen. Ob jemand diese medialen Aufarbeitungen durch “Nicht Demminer” gut oder weniger gut findet, sei dahingestellt. Aber, sein wir ehrlich, Demmin wird darin selten als ein attraktiver, lebendiger Vorzeigeort im Nordosten Deutschlands dargestellt.

 

Dass diese Bücher, Filme und Theateraufführungen also das Demminer Heimatherz nicht nur höher schlagen lassen, steht außer Frage.

 


Demmins Sonderstellung

 

Massensuizide gab es in den letzten Wochen des Krieges in ganz Deutschland (siehe Florian Hubers Buch "Kind, versprich mir, dass du dich erschießt"). Die Massenvergewaltigungen, die hauptsächtlich (wenn auch nicht nur) von der Rote Armee begangen wurden, gab es in vielen anderen Städten, die später ein Teil der DDR wurden. (siehe Miriam Gebhardts "Als die Soldaten kamen"). 

 

Dass in der DDR, also von 1949 bis 1989 auch nicht über diese schändlichen Seiten der ruhmreichen Roten Armee gesprochen wurde und es keine Auseinandersetzung mit dem Thema  gab, ist auch nichts Neues. Jedenfalls nicht, für jeden ehemaligen DDR Bürger.


So war es eben.

 

Was macht Demmin also so "besonders"?

 

Einerseits sind es die extrem hohen Opferzahlen - bis zu 1000 Menschen starben in den wenigen Tagen im Frühling 1945 und machen ihn zum größten deutschen Massensuizid.  Warum es so viele waren, lag an einer Anreihung tragischer Umstände, auf die ich hier gar nicht weiter genau eingehen will, die aber hier nachzulesen sind

 

Andererseits ist es aber auch Demmins Gegenwart und die Aufarbeitung nach dem Ende der DDR die Demmin dann doch irgendwie speziell macht. Denn, in meiner Heimatstadt hat es nämlich die rechte Fraktion geschafft, eben diese Geschichte so zu instrumentalisieren, dass hunderte marschierende Springerstiefel, meist getragen von Nicht-Demminern in einem „Trauermarsch“ den Opfern gedenken. Sie mahnen die Taten der Roten Armee gegenüber der deutschen Bevölkerung und erkennen den Tag nicht als einen Tag der Befreiung vom Faschismus an.

 

Dieser Trauermarsch ist kein Einzelfall sondern findet jedes  Jahr am 8. Mai hier im Zentrum und unter riesiger Polizeipräsenz statt.


Opfer und Täter zugleich?

 

Wenn wir beim Gedenken sind, gilt es sich nämlich bewußt zu machen, dass diese Frauen und Männer, natürlich Opfer waren. Opfer eines totalitären Staates und eines Krieges, dem sie blindlinks gefolgt waren. Aber eben auch deswegen Opfer, weil die SS ihnen keine Fluchtmöglichkeiten gelassen hatte, in dem sie alle Brücken in Demmin gesprengt und somit alle Demminer, also alle Frauen und Kinder, ihrem eigenen Schicksal überlassen hatte. Diese Demminer waren  der Roten Armee schutzlos ausgeliefert. Einer Armee, die von den Gräueltaten der deutschen Armee im Osten direkt betroffen war und die nicht selten ihre eigenen Familien durch deutsche Hand verloren hatte.


Diese Demminer Frauen und Männer, diese Opfer, waren eben gleichzeitig auch Täter. Sie waren NSDAP Wähler, Systemsympathisanten und Verfechter des Regimes, welches sie schlussendlich zu Mördern ihrer eigenen Kinder machte.


Schere ich jetzt alle über einen Kamm? Nein. Waren alle Soldaten der roten Armee Vergewaltiger deutscher Frauen? Natürlich nicht. Waren alle Demminer Frauen und Männer die ihr Leben ließen, stramme Nazis? Ganz sicher auch nicht.


Kann man also Täter und Opfer zugleich sein? Was ist mit den Kindern? - Ich habe keine Antworten und überlasse diese Diskussionen den Gechichtswissenschaftlern, Sozialwissenschaftlern und Ethikern. Für mich ist es einfacg so, und wie so oft in Kriegszeiten, dass es bei der Wahrheit kein schwarz und weiß gibt, sondern alles eher ein gräuliches Gemisch ist.

 

Vergangenheitsbewältigung und Komplexität 


Die Vergangenheit und Gegenwart der Stadt Demmin sind also komplex. Gleichzeitig scheint die Stadt mit dieser Komplexität, dem Trauma und insbesondere der Ambivalenz des Gedenkens derer, die sowohl Opfer und Täter waren, überfordert. Dies soll kein Vorwurf sein, denn von außen scheint es, als wäre die Stadt mit diesem Dilemma nämlich zum Teil allein gelassen. 


Welche ostdeutsche Kleinstadt kann schon ihre wenigen Mittel in eine wirkliche Erinnerungskultur stecken und die dafür notwendige Unterstützung und das Verständnis in der lokalen Bevölkerung aufbringen?

 

Ich persönlich denke jedoch, dass es vielleicht möglich sein kann, genau diese Einzigartigkeit zu etwas zu nutzen. Etwas, das das unbestrittene nationale und internationale Interesse am Thema komprimiert, zentralisiert und in etwas umwandelt, dass der Stadt und den Opfern gebührend ist. Denn, ungleich vieler anderer Städte und Gemeinden, über die eben noch nie Bücher geschrieben, Theaterstücke aufgeführt oder Filme gedreht wurden, hat Demmin ein Repertoire, auf das es aufbauen kann und beginnt nicht bei Null.

 

Demmin - und meine Erfahrungen

 

Ich lebe seit vielen Jahren im Ausland, was meinen Blick auf meine Heimatstadt, mein Geburtsland, meine Familie und ihre Herkunft geschärft hat. Früher war mir die Komplexität der Demminer Situation und die spezielle Stellung meiner Heimat gar nicht bewußt. Ehrlich gesagt, war sie mir egal und ich wollte damals einfach nur weg von hier. Erst in Norwegen, meiner neuen Heimat und durch die Recherchen für Trude Teiges Buch wurde mir nach und nach klar, dass ich mehr wissen will und mein Unwissenheits- und Ignoranzblase verlassen muss, um diese Komplexität zu verstehen.

 

Ich fing also an zu lesen und mich für die regionale Geschichte zu interessieren. Ich sprach bei Lungwurst mit süßsaurer Soße mit Oma darüber, wie es früher denn so war und beim Bier mit Opa über seine Flucht und wie damals, als er hier in Demmin ankam, noch immer die Leichen in der Peene schwammen. Ich redete mit Zeitzeuginnen in Demmin und Berlin über ihre Erfahrungen und schrieb mir Briefe mit ihnen. Ich sprach mit Martin Farkas (Regisseur von "Über Leben in Demmin) über seine Erfahrungen und telefonierte mit Frauke Bohge, einer Künstlerin aus Berlin, die an einem Demmin Kunstwerk arbeitete, dass die Stimmung der Stadt, die bis heute präsent ist, einfangen wollte.


Demmin international?

 

Als Resultat und endlich auch mit mehr Hintergrundwissen behaftet, begann ich dann offen mit Freunden, Kollegen und Gästen aus der ganzen Welt über Demmin zu reden. Mit Briten, Norwegern, Schweden, Amerikanern und Niederländern. Sogar in Island habe ich bereits über Demmin diskutieren und war von dem schieren Interesse, dem Unwissen über eben diese Geschichten und auch vom Zuspruch der Zuhörer, die mehr über das Thema wissen wollten, immer wieder überrascht.


So viele internationale, und insbesondere englische Beiträge zu Demmin gab und gibt es nämlich nicht, denn das Wissen um Demmin ist hauptsächlich auf den deutschsprachigen Raum beschränkt. Eine ausländische Autorin, die durch reinen Zufall auf Demmin gestoßen war, ist die Norwegerin Trude Teige Ihr Buch "Als Großmutter im Regen tanzte", welches in Norwegen bereits 65.000 Menschen gelesen haben und welches am 28.Februar 2023 in Deutschland erschien, war damals Auslöser für mich, mit dieser Webseite und dem Schreiben über Demmin zu beginnen.


Es führte dazu, dass ich jetzt ehrenamtlich als Produzentin an einem Dokumentarfilm mitarbeiten darf, der ein ähnliches Thema aufarbeitet. Im The Loom Film - der Dokumentarfilm, erzählen wir die Geschichte einer Berliner Frau und ihrer 4 Töchter, die im April 1945 mit dem Einmarsch der Roten Armee in Berlin freiwillig ihr Leben liessen.

 

Wie bei den Frauen und Kindern in Demmin, wurde später wenig über dieses tragische Schicksal gesprochen, nicht einmal innerhalb der engsten Familie. Die mit dem Thema verbundene Scham, Wut und Trauer jedoch beeinflusst die Nachfahren noch heute. 

 

Trude Teige spricht über Demmin in Bergen (Norwegen).


Am Set von  “The Loom Film”

Warum ich das alles erwähne

 

Ich habe in der Arbeit und der Recherche für diese beiden Projekte gesehen, welche Gefühle und welche Empathie diese Frauenschicksale bei so vielen Menschen auslösen, wie groß das Interesse weltweit ist und welche Signifikanz das Thema noch immer hat. In dem wir ihre Schicksale jetzt aufarbeiten, geben wir diesen, wie auch allen von sexualisierter Gewalt betroffenen Frauen in Kriesgebieten wieder eine Stimme, die sie bisher nicht hatten.

 

Nicht nur aber eben auch usgelöst durch den Angriff der russischen Armee auf die Ukraine im Februar 2022, möchten und können jetzt mehr ältere Frauen und Männer über diese Zeit reden. Wie sich in den Gesprächen herausstellt, schätzen sie es sehr, wenn jüngere Generationen an ihrer Geschichte Interesse zeigen. 

 

Die Erfahrungen, die ich in den Gesprächen mit Zeitzeuginnen in Berlin und Demmin machen durfte, die Fäden der Traumata, die Scham und Wut, die Angst und Trauer - sie sind offenkundig und bis in die heutige Zeit sichtbar. Sie sind so prägend, dass sie mich mich dem Thema extrem sensibel gegenüberstehen lassen.

 

Gleichzeitig sehe ich offenkundig in dem Zuspruch den unser The Loom Film Team von verschiedensten Menschen, Sponsoren und Trägern erhält, dass es ein Thema ist, über das Menschen mehr erfahren wollen und über das es wichtig ist zu diskutieren.

 

Umso signifikanter wurde das Thema natürlich auch seit dem letzten Jahr Februar, dem Monat seit dem in Europa wieder Krieg herrscht. Es stehen im Jahr 2022, 47 Jahre nach Kriegsende wieder europäische Frauen und Kinder den Soldaten und ihren Rachegefühlen hilflos gegenüber. 


Um auf meine einhergegangene Frage zurückzukommen, ist es daher angemessen die Tragödie von 1945 nicht weiter aufzuarbeiten, nicht mehr über sie zu reden? Oder unterschätzt man hier die Symbolhaftigkeit, Bedeutung und auch die Verantwortung, die ein Ort wie Demmin hat und haben könnte?

 

Garten der Erinnerung am Hanseufer

Das Trauertuch in der Demminer St.Bartholomaei Kirche


Die Chancen für Demmin

 

Was hat das nun alles mit den “Chancen für Demmin” zu tun? Denn das Letzte, was wir anstreben sollten, ist eine Kommerzialisierung dieses komplexen, emotionalen Themas.

 

Seit nunmehr vielen Jahren verfolge ich mit, was sich in Demmin tut und bewegt und ich möchte hier unbedingt ein paar Akteure erwähnen, die eng mit dem Thema verbunden sind. So ist da der Nossendorfer und weltweit anerkannte Regisseur Hans Jürgen Syberberg, ein Zeitzeuge, der auch in seinem letzten Film “Demminer Gesänge” das Thema aufgegriffen hat und sich seit Jahrzehnten aktiv an einer Erinnerungskultur in Demmin beteiligt. Da ist das Zeitzeugencafe des wunderbaren T30 Teams, das Aktionsbündnis 8.Mai Demmin, welches 2021 mit dem Johannes Stelling Preis ausgezeichnet wurde. Da ist das Projekt "Erinnerungskultur" des Goethe Gymnasiums, Karsten Wolkenhauers Projekt aus dem gemeinsam mit der Künstlergruppe der Nordeutschen Realisten Tom Salts Dokumentation entstand. Da ist der Erfolg des Friedensfestes vom 8.Mai 2018. Hier waren hunderte junge Menschen dem Aufruf des Jarmener Urgestein und Sängers der Band Feine Sahne Fischfilet Monchi gefolgt und hatten dem Trauermarsch eine klare Ansage gemacht. 


Ein weiteres sehr interessantes Resultat, das aus der Auseinandersetzung mit dem Thema entstand, sind die Unterrichtsmaterialien zum Film "Über Leben in Demmin", die allen Lehrern zur Verfügung stehen und eine Diskussion mit diesem komplexen Thema ermöglichen.

 

Auch hier fängt Demmin also nicht von Null an.

  

Von anderen lernen


Gleichzeitig steht Demmin auch nicht alleine da und könnte etwas im Umgang mit diesem komplexen Thema von anderen traumatisierten Kleinstädten lernen.


Man könnte lernen von den Orten, die es geschafft haben, ein Begegnungsort der Erinnerungskultur zu sein - denn genau so ein Ort könnte Demmin werden. 

Eine Stadt, die basierend auf ihrer Geschichte, in eine Richtung wächst, an dem sich Menschen aus dem In- und Ausland mit geschichtlichem Interesse und politischem Engagement zu Seminaren, Konferenzen und Sommercamps treffen. Ein Ort der angemessen gedenkt - nicht nur den Demminer Opfern, sondern allen Suizidopfern des Krieges. Ein Ort an dem Geschichte hautnah erlebbar ist und an den Überlebende zurückkehren möchten. Ein Ort, der Demokratie lebt, seine Geschichte akzeptiert und aufarbeitet. Ein Ort, der den Wert des Friedens symbolisiert und der aktiv gegen die Instrumentalisierung der Geschichte agiert.

 

Diese Aufarbeitungen könnte Demmin in einer Weise nutzen, welche der Stadt und den Opfern gebührend ist und die längerfristig auch das Image der Stadt aufbessern. 

 

Hört sich abstrakt an?

 

Klar, passiert das alles nicht von heute auf morgen und dazu braucht es Geld und lokales, aber auch überregionales Engagement. Aber vielleicht ist ein erster Schritt bereits damit getan, all die Menschen, kleineren Projekte, Veranstaltungen und Träger sowie alle Ideen zu sammeln und auf einer Plattform und unter einer Schirmherrschaft zu vereinen.

 

Fördergelder vom Land, vom Bund oder auch von der EU könnten beantragt und die Landeszentrale für politische Bildung mit involviert werden. Gleichzeitig hat sich bereits ein Netzwerk aus internationalen und nationalen KünstlerInnen, SchriftstellerInnen, RegisseurInnen und PoltikerInnen gefunden, die das Thema aufarbeiten. Es liegt also nahe, dass gerade sie dem Thema mit großem Interesse gegenüberstehen und an dieser Art der Vergangenheitsaufarbeitung sicher mitarbeiten würden. Gleichzeitig würde so ein Netzwerk den Akteuren Zuspruch und Rückhalt geben, denn, seien wir ehrlich, es bedarf sicherlich auch ein wenig Überzeugungskraft und Durchhaltevermögen, um den meist skeptischen Demminern und Politikern zu begegnen um sie von einem solchen Projekt zu überzeugen. 

 


Aus diesem Schmelztigel jedoch könnte meines Erachtens etwas Positives entstehen. Dann wenn alle Interessierten zusammenkommen und dasselbe Ziel verfolgen, nämlich wie Demmin seiner Verantwortung gerecht werden kann.

 

Dabei gilt es natürlich nicht, das Rad neu zu erfinden, sondern von anderen Gemeinden in anderen Regionen und Ländern zu lernen und klein anzufangen.

 

Ein Beispiel aus Norwegen - Utøya

 

Eine kleine Insel hier in Norwegen, die durch den Terrorangriff von Anders Behring Breivik am 22.7.2011 ungewollt in die globalen Schlagzeilen geriet, ist so ein Beispiel. Utøya zeigt, wie man als kleine Gemeinde mit einer Tragödie und dem negativen Image, dass diese auslöst, umgehen kann, wenn man sich aktiv dafür entscheidet - Utøya - die Insel, die aufbegehrte

     

Liest man die Beschreibungen, so möchte Utøya ein Ort sein und werden, an dem Menschen sich treffen, diskutieren, reflektieren, lernen und erinnern. Ein Ort von dem aus Engagement in unterschiedliche Bereiche wächst. Utøya fokussiert sich vor allem auf die politisch engagierte Jugend und organisiert unter anderem Demokratiewerkstätten, Sommercamps und Seminare für Menschen, die an Demokratie, Frieden und Menschenrechten interessiert sind. Nicht nur Frank Walther Steinmeier waren hier zu Besuch, sondern auch viele andere politische Botschafter und kulturelle Persönlichkeiten. Utøya ist nicht kommerziell, sondern als Begegnungsort unabhängig und finanziert sich durch staatliche Unterstützungen, Spenden. Es agiert als eine gemeinnützige Aktiengesellschaft.

 

Und während der Fokus dieses Ortes vornehmlich auf Extremismus und dem Umgang mit Menschenfeindlichkeit, Hassreden und Verschwörungstheorien liegt, so kann er doch, wie ich finde, auch als Inspiration für einen Ort wie Demmin angesehen werden. Gleichzeitig möchte ich auch betonen, dass ich natürlich in keinster Weise einen Vergleich zwischen einem Terrorangriff und dem, was damals in Demmin passierte, anstrebe, sondern eben nur eine greifbare Inspiration reichen will.

 

Besserwisser

 

Ich vermute, dass es viele der von mir angesprochenen Anstrengungen bereits gegeben hat, und dass ich hiermit einigen Menschen, die sich aktiv engagieren, nicht viel Neues erzähle. Niemand braucht einen Besserwisser, der gar nicht mehr in Demmin lebt, richtig?

 

Was ich mit diesem Artikel jedoch erreichen will, und warum ich ihn schreibe, ist und einzig und allein deswegen, weil mir meine Heimat am Herzen liegt und ich Potenzial und auch eine gewisse Verantwortung darin sehe, dieses Thema mit viel Herz, Interesse und Sachverstand aufzuarbeiten.  Ich möchte damit anregen, über die deutschen Grenzen hinauszuschauen, um dem Thema offener aber auch anerkennender und globale zu betrachten und ihm gegenüberzustehen.

 

Gleichzeitig widerstrebt mir ganz persönlich die Tendenz, dass man dieses komplexe Thema als durchgekaut und als etwas abtut, das man am Besten nicht mehr mit Demmin in Verbindung bringen möchte. Einerseits wird diese Einstellung den Opfern und Überlebenden in Demmin und ganz Deutschland in keinster Weise gerecht, egal wieviel bereits darüber geschrieben wurde. Andererseits könnte man, bevor man etwas abtut, das offensichtlich so viele Menschen in und außerhalb von Deutschland interessiert und noch immer beeinflußt, diese enorme Symbolhaftigkeit als eine Chance sehen, mit ihm etwas signifikant Gutes zu erreichen.

 

Dies kann geschehen, wenn man offene Diskussionen anstößt, mediale Aufarbeitungen anregt, sich bewußt macht, was bereits existiert und dem Interesse und dem Gedenken an diese Zeit einen Raum gibt, einen Ort schafft in dem genau dies möglich ist.

 

Ich, für meinen Teil, würde mich für Demmin freuen.

 

Katharina von Oltersdorff-Kalettka

Balestrand, 2023

 

Demmin und St.Bartholomaei gesehen vom Halbmond
Demmin und St.Bartholomaei gesehen vom Halbmond

Kommentare: 1
  • #1

    Domenica (Mittwoch, 18 Januar 2023 18:32)

    So wunderbar geschrieben…wertvolle Gedanken…positiv…inspirierend. Genauso könnte es einen Weg für Demmin geben.